Demnächst begrüssen wir Stanovsky im Vinylopresso Interview.
Peter Stanovsky stand schon einmal am Anfang einer Karriere. Mit seinem Projekt Kaind hatte er alles, was man braucht, um ganz nach oben zu kommen: Starke Songs, einen Major Deal im Rücken, aufwendig ausproduzierte Videos und Fotos. Nachdem ihm klar wird, dass das Projekt so keine Zukunft mehr für ihn hat, taucht er ab, schreibt nur noch Songs für andere.
Auf Dauer reicht das natürlich nicht: 2021 erscheint mit „Trockener Tabak“ seine Debut-EP. Er spielt als Support für Clueso, auf dem Reeperbahn Festival und der C/O Pop. STANOVSKYs Songs verbinden musikalische Fragilität und eine
textliche Raffinesse, die man auf Deutsch nicht oft zu hören bekommt. Referenzen sind schwierig zu benennen, der Umgang mit Sprache eigenartig einzigartig, die Bilder in den Songs momenthaft und illustrativ.
Am 10.06.2022 erschien STANOVSKYs Debütalbum „Tiefenrausch“. Der Begriff beschreibt den Zustand eines Tauchers, der zu schnell zu weit abgesunken ist. Ein euphorisches Gefühl soll das sein, wie nach zwei Gläsern Sekt, aber mit
dem Risiko eben, dass man vergisst, wieder auftauchen zu müssen. STANOVSKY erzählt vom Rausch, sei es im Studio oder in der Stadt da draußen. Mit feiner Melancholie kombiniert er Vinyl-, elektronische Sounds und ausgecheckten Pop. Und lädt zum Abtauchen ein.
Zum Kopfhörer aufsetzen.
Der Opener Rücksitz beginnt in der Ruhe des Morgengrauens. Wenn die Sinne anfangen uns Streiche zu spielen. „Halt mich fest wenn du zweifelst“ singt STANOVSKY, aber der Abschied ist im Rückblick unvermeidlich. Ein Zeitsprung ins
titelgebende „Tiefenrausch“ und man versinkt gemeinsam in der Nacht, irgendwo läuft Bon Iver, die Akustikgitarre klingt nah und fern zugleich.
„Schwerelos“ verbindet den bisherigen STANOVSKY-Sound mit Soul und Gospel Elementen. Eine Orgel bildet das Fundament des Songs doch hier geht es nicht um Gott, sondern den Glauben an sich selbst. An das, was man will im Leben. Die
neuen Songs sind gemeinsam mit Flo Hofer und Aleksander Rynkowski entstanden, referenzieren Frank Ocean und Bon Iver. Spielen mit Einflüssen und verschiedenen Tempi. „Irgendwo am Meer“ wird angetrieben von Pizzicato Streichern und einem Dub-Groove. Es ist
ein Spiel mit den Kontrasten: Eine Mischung aus Urlaubsfantasie und Weltuntergangsstimmung: Irgendwann gibt es das alles hier nicht mehr. Aber die Welt dreht sich trotzdem weiter.
„Klar habe ich TexterInnen, die ich gut finde: Grönemeyer natürlich, Max Herre, Lina Maly, Judith Holofernes, OG Keemo, Peter Fox, Trettmann,– aber ich feier auch eine Band wie Isolation Berlin. Ich schreibe Texte auf Deutsch, ich
mag, dass die Sprache dann kein Thema ist, kein limitierender Faktor. Alles ist direkt und unmittelbar. Aber am Anfang steht meist die Musik – eine musikalische Stimmung, Akkorde, ein cooler Synthsound, ein Rhythmus, – irgendwann ist da ein einzelnes Wort,
das eine Geschichte erzählt.“
„Fernweh“ erzählt vom Drang abzuhauen, ohne klares Ziel. „Ich fahre nur – der Mittelstreifen führt mich an einen anderen Ort.“ Aber am Ende steht die Erkenntnis. Das ist auch nur eine Flucht vor sich selbst. Denn: Andere Städte ändern
auch nichts an deinen Problemen. Die Bassdrum schiebt 4/4, die BPMs sind durchaus tanzbar, trotzdem passt der Track mit seinem vinylknisternden Sound ganz ausgezeichnet auf die LP.
„WTF“ beschreibt die komische Mischung aus Erleichterung und Abgefucktsein, die man erlebt, wenn die Idealisierung einer Person vor den eigenen Augen zerbricht, besticht durch Folk-Vibe und Pedal-Steel-Gitarren-Melodie. „Glauben“
klingt mit seiner Vermona-Orgel beinahe ein bisschen churchy, „Dein Mund der lacht, die Augen weinen“ – und erkennt beim Gespräch am Küchentisch und einer Flasche Rotwein: es gibt Probleme, die zu groß sind, um sich so lösen zu lassen.
STANOVSKY ist bildhaft, erzählt in seinen Songs Geschichten. Vermischt Wirklichkeit und Phantasie. Alles ist flüchtig. Nichts richtig, nichts falsch. Alles muss schweben. Muss sich echt anfühlen. Denn es gibt sie ja: Die magischen
Momente. Die Gespräche am Küchentisch im Morgengrauen, die endlosen Nächte in den Clubs, und dazwischen: Das Leben. „Tiefenrausch“ erzählt davon, wie ein magischer Film, flüchtig und doch in jedem Moment: Wunderbar reflektiert, voll von ausgeprägtem Stilbewusstsein
und schwereloser Leichtigkeit.