Demnächst begrüssen wir den Gründer der Kölschrock-Band BAP Wolfang Niedecken bei uns im Vinylopresso Interview.
“Musik bewegt. Manchmal sind es einzelne Songs, mit denen man Lebensphasen, Ereignisse, Schlüsselmomente, emotionale Hochs und Tiefs verbindet. Songs, die das eigene Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt „auf den Punkt“ bringen. Als Zuhause für Gefühle, als Richtung für den Aufbruch, als Identifikationspunkte im Hier und Jetzt.
Songs, die untrennbar Teil der eigenen Biographie werden.
Nur selten hat man die Gelegenheit, umfänglich Zeuge davon zu werden, wie sehr Musik „bewegt“. Die neueste Veröffentlichung von Wolfgang Niedecken mit dem Titel „DYLANREISE“ (VÖ 25.03.2022) eröffnet nun eine faszinierende Möglichkeit dazu. Für ihn waren es vor allem die Songs des US-Singer/Songwriters, Autors und Nobelpreisträgers Bob Dylan. Die ihn sowohl persönlich als auch künstlerisch geprägt haben. Die Teil seiner biografischen DNA geworden sind.
Der Dylan-Song „Like A Rolling Stone“ zum Beispiel. Der einen Wendepunkt in Wolfgang Niedeckens Leben markierte. „Es war der Song, der mich auf die Idee brachte, selbst Lieder zu schreiben. Ein Song wie ein Blitzeinschlag. Von da an war für mich nichts mehr wie bisher“, erinnert er sich. „Wie `ne Stein“ heißt die Niedeckensche Version dazu.
Oder der Song „With God On Our Side“, mit dem Wolfgang Niedecken ebenfalls einen wichtigen Moment in seinem Leben verbindet: „Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass ich in meiner Verhandlung zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer neben Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ auch mit diesem Songtext argumentiert hatte.“
Auf „DYLANREISE“ präsentiert Wolfgang Niedecken viele weitere persönliche Geschichte(n) und Songs, die es in dieser Form und Zusammenstellung sicherlich nie gegeben hätte, wenn in den letzten beiden Jahren die Corona-Pandemie nicht viele Routinen durchbrochen und einen Strich durch so manche Rechnung gemacht hätte.
Auf einmal gab es „Zeit“. Keine große Geburtstagstour zum 70sten, mit allem, was an Vorbereitung und Energie dafür notwendig ist. Keine „große Öffentlichkeit“, kein „großer Bahnhof“, obwohl beides zum neuen Album „Alles Fließt“ und anlässlich des runden Geburtstages für den Künstler und Menschen Wolfgang Niedecken einfach der gebührende Rahmen gewesen wären.
Nun gut, „et kütt, wie et kütt“. Manche Dinge hat man halt nicht in der Hand. Andere dagegen schon. Die Zeit, die auf einmal da war, hat Wolfgang Niedecken für ein Herzensprojekt genutzt. Für ein Buch. Sein Buch. Über Bob Dylan. Und am Ende auch über sich selbst. Für die Reihe „KIWI Musikbiblitohek“, in der Künstler:innen darüber schreiben, was ihnen andere Künstler:innen bedeuten. Der Verlag beschreibt das als „Herzensbekenntnisse“. Und genau das sind sie.
So schrieb Wolfgang Niedecken, auch inspiriert durch eine „Reise auf Bob Dylans Spuren“ in den USA, die er 2017 für den TV Sender arte unternommen hatte, „sein“ Bob Dylan Buch. Den Künstler, ohne den Wolfgang Niedecken selbst nie Musiker geworden wäre. Den Künstler, der nicht nur viele seiner Songs beeinflusst hat, sondern auch die Persönlichkeit Wolfgang Niedecken geprägt hat.
Im Sommer letzten Jahres wurde dieses „unsichtbare Band“ dann plötzlich so sichtbar, nahbar und nachvollziehbar, wie nie zuvor. Es war Zeit. An der Zeit. In dieser Zeit. Spontan entstand die Idee, eine kleine Tournee in Angriff zu nehmen. Eigene Songs, Songs, die von Bob Dylan inspiriert wurden, Dylan Songs. Die Songs, verwoben mit Lese-Passagen aus dem Buch. Persönlichen Erinnerungen. Die Eindrücke der arte-Amerikareise noch einmal aufleben lassen. Sich fallen lassen in diese besondere Beziehung und Verbundenheit. Und das Publikum daran teilhaben lassen. Es wurden besondere Abende. Jeder für sich.
Denn nicht zuletzt auch durch die vielen Be- und Einschränkungen, die der Sommer und Herbst des letzten Jahres angesichts der Pandemie immer noch mit sich brachten, fügte sich alles in diesen kleinen, intimen Rahmen, den genau diese „DYLANREISE“ brauchte.
Eine Tour mit vier Menschen und einem Hund. Zwei Autos in Kombi-Größe. Viel mehr ein Gefühl von Road-Trip, als das einer „Tour“. Kombi Nummer 1 besetzt mit Wolfgang Niedeckens altem musikalischen „Wegbegleiter“ und Freund, dem Jazzpianisten Mike Herting, der unter anderem schon 2004 das WDR Bigband Album „Niedeckenkoeln“ arrangiert und dirigiert hatte. Ein „perfect match“, wie man so schön sagt. Bekamen doch die Songs, die Wolfgang Niedecken für die Tour ausgesucht hatte, in der Vorbereitung durch die erspielten Gitarre und Piano-Arrangements eine ganz besondere Note. Am Steuer des Kombi und der tontechnischen Umsetzung auf der Bühne Achim Schnall, seit vielen Jahren Teil der bewährten Niedecken und BAP Crew.
Kombi 2 gesteuert von Ehefrau Tina Niedecken, die neben allen organisatorischen Zügeln als ausgebildete Fotografin auch noch die Fotokamera in der Hand hielt, um diese besondere Konzertreise zu dokumentieren. Und die Leine von Familienhund „Numa“, die immer dabei und manchmal sogar auf der Bühne präsent war. „Muttitasking“ nennen wir das bei uns zuhause, so Wolfgang Niedecken lachend und voller Bewunderung.
Aus einer Hand voll Gigs wurde schließlich eine Tournee mit 45 (!) Konzerten.. Draußen und drinnen. Unter ständig wechselnden Rahmenbedingungen. Umstände, die jegliches Gefühl von „Trott“ verhinderten. Jeder Abend anders, jeder Abend neu, jeder Abend besonders.
Dennoch alle gehalten von einem besonderen Band. Das sich zwischen den vier „Reisenden“ gewoben hat, das sich musikalisch in den neuen Arrangements der Songs wiederspiegelt, dessen Ausgangspunkt und „Knoten“ aber ohne jeden Zweifel diese besondere Beziehung ist, die das Leben und Werk von Wolfgang Niedecken mit dem Werk und der Person und Persönlichkeit Bob Dylan verbindet.
Und das jetzt auch die verschiedenen Tonträger von der „DYLANREISE“ transportieren. Selbst wenn es angesichts der eingeschränkten (auch tontechnischen) Möglichkeiten im Rahmen der Tour nicht möglich war, die Konzerte „live“ mitzuschneiden.
Auf Wunsch vieler Menschen, die als Publikum Teil dieser besonderen Abende im letzten Jahr sein durften, haben Wolfgang Niedecken, Mike Herting, „Schnalli“ und Tina Niedecken den besonderen „Geist“ und die Magie der Konzerte im Kölner Riverside Studio an Silvester 2021 für die „DYLANREISE“ in aller Ruhe noch einmal aufleben lassen. Und sie haben nichts von ihrer Faszination verloren!
Noch weiß niemand, wie es in diesem Jahr konzerttechnisch weitergehen kann und wird. Ob die große BAP Tour zum „Alles Fließt“-Album und zum runden Niedecken-Geburtstag, die letzes Jahr abgesagt werden musste, stattfinden kann. Die Daumen bleiben gedrückt! Sicher ist allerdings jetzt schon, dass die „DYLANREISE“ auch 2022 fortgesetzt wird. Und wer kann, sollte auf jeden Fall mitreisen!”
(Text & Bildquelle: Tina Niedecken/Universal Music)